Göteborg – Puttgarden

Ab nach Hause

Mölndal – Åsa    29. Juli 2015

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Tja, auch dieser Beitrag ist im Zuge meines Internetproblems verloren gegangen. Daher die Zusammenfassung in Kürze. Nach einigem Hin und Her entscheide ich mich, den Rückweg nach Hause mit dem Fahrrad anzutreten. Da an meinem Rückreisewochenende das Fortkommen mit dem Zug wegen Schienenersatzverkehr in Dänemark extrem schwierig ist, wähle ich den Weg nach Süden. Auf der Vogelfluglinie über Dänemark oder über Trelleborg, das entscheide ich später.

Anfänglich noch begleitet von meiner Familie starte ich nachmittags in Richtung des angepeilten Campingplatzes in Åsa. Schon bald merke ich, dass mir die schwedische Landschaft einiges mehr abverlangt als Rhein und Ruhr. Zwar gibt es keine nennenswerten Erhebungen, aber ein beständiges Auf und Ab sowie der später immer stärker werdende Gegenwind machen ein lockeres Dahinrollen unmöglich.

Trotzdem gibt es vieles, was mich froh macht: der strömende Regen vom Vormittag wurde von einem heiteren Nachmittag abgelöst. Am Ziel erwartet mich ein zugegeben recht graues Meer. Aber immerhin: das Meer! Und die neu installierte Navigationshilfe führt mich punktgenau zum Ziel.

Zelt aufgebaut, zu abend gegessen, gelesen, in den Schlafsack gekrochen und sofort eingeschlafen. Gute Nacht!

Herbstgefühle

Åsa – Haverdal  30. Juli 2015

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Als ich heute morgen meine Strecke plante, hatte ich nicht wirklich geglaubt, dass ich die knapp 110 km ganz fahren würde. Die Erfahrung von gestern hatte mir gezeigt, dass die schwedische Landschaft ganz andere Anstrengungen erfordert als der Rheinradweg.

Gegen halb zehn mache ich mich auf den Weg. Schon kurz nach dem Aufbruch merke ich: weder GPS noch Internet funktionieren. Wie abhängig ich doch mittlerweile von der Technik bin! Papierkarten? Fehlanzeige. Gut, dass meine NavigationsApp auch offline arbeitet. Irgendwann findet mein Multifunktionsgerät dann doch seine Satelliten, so dass ich wie gewohnt der geplanten Route folgen kann. Der Zugang zum Internet bleibt mir weiter verschlossen.  Dem muss ich heute Abend nochmal versuchen auf den Grund zu gehen.

So fahre ich größtenteils auf dem Kattegattleden, der meist auf schmalen Straßen dem Küstenverlauf folgt. Immer wieder gibt es Ausblicke auf das Meer. Die Landschaft verändert sich, wird offener, weiter. Die typischen Wälder und Felsen werden immer häufiger von Äckern und Weiden abgelöst. Immer öfter tauchen Häuser aus Stein zwischen den zahlreichen Holzhäusern auf. Hier wirkt einiges schon recht dänisch.

Während sich über den Hügeln im Osten dunkle Regenwolken zusammenbrauen, bleibt es für mich – welch ein Glück – den ganzen Tag trocken.  Sogar der Wind hat gedreht und kommt oft von der Seite oder von hinten.  Die Sonne lässt sich immer wieder mal blicken.  Dennoch muten die grauen Wolken, die kühlen Temperaturen und die Scharen vorbeiziehender Gänse mitten im Hochsommer schon recht herbstlich an. Herbstlich ist auch meine Stimmung, neutral bis melancholisch.

Trotzdem: es gibt immer wieder kleine Glücksmomente. So zum Beispiel die Mittagspause auf einer Bank am Strand, für die ich glatt noch einmal umdrehe. Der Kaffee (med påtår – eine schwedische Besonderheit, man bezahlt einmal und darf einfach nochmal nachfüllen) in einem zauberhaften Gartencafé mitten in Falkenberg. Und immer wieder Ausblicke auf das Meer: Felsen und immer öfter kleine und große Sandstrände. Und vor allem die Gespräche.  Mit den Campingwarten und einem Imker. Das größte Kompliment, das meine Gesprächspartner mir machen können ist, dass sie das Gespräch auf Schwedisch fortsetzen, auch wenn es bei mir mal holpert und hakt. Da stellt sich ein Gefühl der Zufriedenheit ein mit dem, was ich in den letzten Jahren gelernt habe. Smalltalk auf Schwedisch? Geht!

Meinem Internetproblem hingegen bin ich immer noch nicht auf die Schliche gekommen. So hängt denn auch diese Nachricht in der Pipeline und wartet auf eine Lösung.  Aber morgen ist auch noch ein Tag.

Anstrengungsglück

Haverdal – Höganäs   31. Juli 2015

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Was für ein Tag. Um die 100 km, zum Teil bei starkem Gegenwind und mit einem nicht enden wollenden Anstieg über mehrere Kilometer. Dazwischen lange Strecken durch monotones Ackerland. Während ich anfangs noch gedanklich an der Lösung technischer Probleme und der Umsetzung von Anregungen für die Gartengestaltung bastele, verabschieden sich die Gedanken irgendwann und ich strampele mal mehr, mal weniger angestrengt vor mich hin. Was hat das mit Glück zu tun?

Zwei Gedanken haben sich festgesetzt.

Zum einen einer von Meike Winnemuth: „Glück ist ein Gefühl von Möglichkeit.“ Niemand verlangt das von mir, was ich gerade tue. Nur ich fordere mich selber heraus. Versuche herauszufinden, wie weit ich gehen kann und will. Teste meine Grenzen. Das ist nicht besonders bequem. Fühlt sich auch nicht immer glücklich an. Aber: ich habe jederzeit die Möglichkeit aufzuhören, zu unterbrechen.  Dass ich es dann trotzdem schaffe, lässt ein Gefühl von tiefer Zufriedenheit aufkommen.

Den zweiten Gedanken finde ich bei Gretchen Rubin, nämlich dass Glück nicht zwangsläufig heißt, dass man sich glücklich fühlt, dass Aktivitäten, die zum langfristigen Glück beitragen, kurzfristig nicht immer ein gutes Gefühl vermitteln und sogar unangenehm sein können. Ein Psychologe – den Namen habe ich nicht präsent – sprach vom Anstrengungsglück: das Gefühl, das sich einstellt, wenn man nach einer langen Bergwanderung endlich den Gipfel erreicht.  Der Punkt, an dem man feststellt: es hat sich gelohnt.

So geht es mir auch heute Abend. Angekommen auf einem sündhaft teuren Campingplatz. Dafür direkt am Meer. Ich habe meinen eigenen Dünenübergang. Fantastischer Sonnenuntergang. Zu faul zum Kochen: Abendessen besteht aus Zimtschnecke und Vanillekringel. Der Wind zerrt an der Zeltplane. Die Wellen rauschen. Das sind meine Gute-Nacht-Geräusche.

Dafür hat es sich gelohnt.

Jenseits von Kopenhagen oder Wohlfühlglück

Höganäs – Kopenhagen   1. August 2015

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Karen Blixen ist schuld, dass ich meine Idee vom lässigen Samstagabend in der Hauptstadt aufgegeben habe. Zumindest teilweise. Ihr erinnert euch? „Jenseits von Afrika“? Ja, genau die!

Aber zurück zum Anfang. Und dazu, dass manche Dinge dann ganz anders werden als erwartet.

Nachdem ich mich gestern mächtig angestrengt hatte, wollte ich mich heute mal mehr um mein Wohlergehen kümmern. Der bereits gestern erwähnte namenlose Psychologe unterscheidet nämlich noch andere Formen des Glücks, so auch das Wohlfühlglück. Das ist das, was uns ein umgehendes Wohlgefühl vermittelt, uns kurzfristig glücklich macht, aber auch recht flüchtig ist. Heute wollte ich darauf achten, dass ich mir wann immer möglich etwas Gutes tue.

Der Tag begann wie geschaffen dafür. Der Wind hatte über Nacht nachgelassen und die Sonne schien vom blaugewaschenen Himmel. Frühstück im Schlafanzug auf der Düne hinter meinem Zelt. Ein zweiter Kaffee während die Zeltplane trocknet. Das ist ein guter Start in den Tag.

Die geplante Route ist mit 75 km relativ kurz und führt fast ausschließlich direkt am Öresund entlang. Viele Segelboote sind an diesem Samstagmorgen unterwegs, ein wunderbarer Anblick. In Helsingborg, nach noch nicht einmal 20km, lege ich eine Pause auf einer ergonomisch geformten Liege an der Strandpromenade ein. Ein Schokoriegel bekämpft die drohende Unterzuckerung.

Dann die Fähre nach Dänemark. Fährfarten mit dem Fahrrad sind immer etwas abenteuerlich. Man wird zusammen mit allen anderen Fahrzeugen aufs Autodeck verladen und schlängelt sich zwischen LKW und PKW hindurch zu einem kleinen Platz – meist im Bug –  für die Räder.

In Helsingør lasse ich mich durch die samstagvollen Gassen der Innenstadt treiben. Alles sehr hübsch und gemütlich.

Mit dem Öresund jetzt zur Linken nehme ich Kurs auf Kopenhagen. Mache Mittagspause direkt am Meer. Ganz Dänemark scheint an diesem sonnigen Samstag draußen zu sein. Mit Picknick, Kaffee, Eis, Oma und Opa, Kind und Kegel.

Weiter geht’s. Und jetzt kommt Karen Blixen ins Spiel. In Rungsted wäre ich fast dran vorbeigefahren. Ihr Haus, jetzt ein Museum. Hier ist sie aufgewachsen und hierher kehrte sie zurück, mit 46, nach 17 Jahren Kenia. „Ich hatte eine Farm in Afrika, am Fuße der Ngong-Berge…“

Das muss ich mir natürlich ansehen. Pilgere zu ihrem Grab auf der Anhöhe hinter dem Haus, eine schlichte Steinplatte unter einer mächtigen Buche. Nehme auch noch die Führung durch die Wohnräume mit, wo auch der Schreibtisch steht, an dem viele ihrer Erzählungen entstanden sind. Und fahre erst gegen vier weiter Richtung Kopenhagen. Verwerfe meinen Plan von einer Dusche auf dem Campingplatz, um mich danach ins samstagabendliche Hauptstadtgetümmel zu stürzen. Besichtige stattdessen die kleine Meerjungfrau und lasse das dänische Draußenleben auf mich wirken: keine Bank, keine Treppenstufe, keine Kaimauer ist unbesetzt. Fahre weiter in Richtung Campingplatz auf der Halbinsel ein paar Kilometer südlich von Kopenhagen, der zu meiner Verwunderung nirgendwo ausgeschildert ist. Decke mich in einem Supermarkt für den Abend ein, obwohl ich auf Infrastruktur in Form von Eis oder Pølser setze. Gehört schließlich auch zum Wohlfühlprogramm. Und finde mich wieder – im Nichts. Oder fast. Nach mehrfachem Fragen (auf Englisch: die Dänen verstehen zwar mein Schwedisch, ich aber nicht ihr Dänisch) finde ich ihn: zwei Zelte, eine Feuerstelle, ein Wasserhahn. Organisiertes Wildzelten auf Dänisch. Also Nudeln statt Salatteller und Weißwein am Hafen.  Lagerfeuer statt Großstadttreiben. Mein ruhigster Hauptstadtabend aller Zeiten. Und trotzdem irgendwie vollkommen.

Und daran ist Karen Blixen schuld. Zumindest teilweise.

Das Optimale gibt es nicht. Oder doch? 

Kopenhagen – Vesterskov   2. August 2015

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In Kürze: diese Strecke heute hat es mir nicht leicht gemacht, sie zu mögen. Anfangs noch an den Stränden der Køge-Bucht entlang, geht sie über in die endlos zersiedelten Vororte Kopenhagens und zahlreiche Ferienhaussiedlungen. Als ich die endlich hinter mir gelassen habe, machen sie den Äckern Seelands Platz, eine andere Form der Monotonie.

Es stellt sich ein Phänomen ein, dass ich von vielen früheren Radreisen wiedererkenne: die Suche nach dem optimalen Platz für die Mittagspause. Zwar hatte ich mich im ersten Supermarkt mit geeigneten Lebensmitteln eingedeckt. Aber der geeignete Platz ließ auf sich warten.  Der sollte nämlich einige Kriterien erfüllen: direkt am Wasser, Bank, einsam, Eisbude oder Café nahbei, fahrradtauglich. Man merkt es vielleicht jetzt schon: geht doch gar nicht.

Trotzdem fahre ich immer weiter, irgendwie soll es ja auch nett sein. Zwischendurch eine Kleinigkeit für den größten Hunger. Bei Kilometer 50 – eigentlich viel zu spät – ist es dann soweit. Eine vielbefahrene Straße überquert, durch eine Hecke, Fahrrad vor der nächsten Düne geparkt, Badeanzug raus, zur Vorspeise ab ins Wasser und weil’s so schön war zum Dessert gleich nochmal. Perfekt.

Und? Gemerkt? Keine Eisbude. Kein Kaffee. Keine  Bank. Und trotzdem herrlich.

Die Frage, die sich mir hier stellt, ist die: war es der perfekte Pausenplatz und wich er nur von meinen Vorstellungen ab? Oder habe ich so lange gewartet, dass auch zweite Wahl optimal erscheint? Bin ich vielleicht zu anspruchsvoll und suche nach etwas, was es gar nicht gibt?

Meike Winnemuths Tipp lautet: „Schnell was finden, was man mag, und dann einfach drauflosleben.“

Na, das wäre doch ein guter Vorsatz für morgen. Und fürs richtige Leben.

Denn das Optimale gibt es nicht. Oder doch?

Montags Møn

Vesterskov – Stege (Møn)   3. August 2015

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Nach der Erfahrung von gestern stand der Vorsatz für heute fest: warte nicht auf den optimalen Moment. Kaufe Kirschen, wenn du Kirschen siehst. Iss ein Eis, wenn es Eis gibt. Was Kaffee, Mittagspause usw. angeht, nimm das mit, was kommt. Kurz: nutze den Moment.

Nach fünf Kilometern die erste Bewährungsprobe: ein Hofladen am Straßenrand. Angehalten, Kirschen gekauft. Gut gemacht: es sollte der einzige Kirschenstand heute bleiben.

Beim ersten Campingplatz Halt gemacht und nach einer Gaskartusche gefragt. Hier werde ich weitergeschickt zum nächsten Supermarkt. Der hat zwar was, aber das Modell ist mir doch zu groß. Mitnehmen oder weiterfahren? Ein Blick auf die Karte zeigt mehrere Einkaufsmöglichkeiten im nächsten Ort: ich riskiere es. Dort finde ich tatsächlich eine Gaskartusche – genau das gleiche Modell. Also nehmen, wer weiß, vielleicht ist es das einzige in Dänemark verfügbare Modell? Und ich suche wieder etwas, was es nicht gibt?!

Mittagspause am Hafen von Præstø, diesmal war der optimale Platz leicht zu finden. Dann geht’s weiter. Der Weg zwar schön fürs Auge, aber ein beständiges Auf und Ab, dazu der andauernde Gegenwind, das macht die Beine müde. Weit und breit kein Eis, kein Kaffee, nur Landschaft. Die Mønbrücke zwar schön, aber die Steigung rauf schafft mich ebenso wie das Strampeln gegen den Wind runter. Dann endlich – quasi auf freiem Feld – Eis, Kaffee. In Stege, 16  km vor dem angepeilten Ziel, gebe ich auf. Mir reicht’s für heute.

Der Campingplatz mitten im Ort ist sicher alles andere als optimal. Aber das ist mir gerade völlig egal. Genauso wie es mir egal ist, dass ich mein Ziel für heute nicht erreicht habe. Aber ich wollte ja heute etwas mehr darauf achten, was der Weg so hergibt. Und das dann nutzen. Also: Nimm einen Campingplatz, wenn du einen Campingplatz brauchst.

Dienstags Dienst

Stege – Stubbekøbing    4. August 2015

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Oh Mann, dieser Tag hatte es in sich. Dabei hörte sich alles so locker an. 20 Kilometer nach Osten, Klippen gucken,  dann so weit wie möglich nach Südwesten Richtung Deutschland. Easy, oder?

Schon klar, von Meeresniveau auf eine Klippenhöhe von knapp 130 m ist einiges zu tun. Da muss es wohl oder übel hochgehen. Na und? Dachte ich. Was ich nicht ahnte war, dass es auf dem Weg dorthin nicht nur rauf sondern auch immer wieder runter ging. Dazu der nicht nachlassen wollende Gegenwind, der mich selbst die Abfahrten in gefühltem Schneckentempo nehmen lässt. So werden aus den angepeilten anderthalb Stunden etwa drei, wenn auch mit vielen Pausen und der Besichtigung der wirklich ergreifenden Kalkmalereien in den Kirchen entlang des Weges.

Ja doch, die Klippen sind toll. Von beeindruckender Höhe und strahlend weiß. Draußen auf der Ostsee leuchten vereinzelt die Segel einiger Boote. Ein wunderschönes Bild.

Dennoch bin ich jetzt schon fix und fertig. Nach einer längeren Mittagspause fühle ich mich einigermaßen erholt und es geht auf anderem Weg zurück. Geht es jetzt besser? Jein. Zumindest kommt der Wind nicht mehr von vorn. Das Auf und Ab aber bleibt. Die Abfahrten sind kurz, die Anstiege lang. Emotionaler Einbruch inbegriffen.

Nach nicht mal 40 km komme ich völlig erledigt wieder in Stege an. Da wollte ich eigentlich gar nicht mehr hin, aber ich brauche eine Pause. Kaffee. Zimtschnecke.

Dann weiter, um auf dem Weg nach Hause noch etwas Strecke zu machen. Gucke auf der Karte, wo der nächste Bahnhof ist. Ich will hier weg!

Woran liegt’s?

Kann ich Dänemark nicht? So wie Meike Winnemuth Mumbai nicht kann? Eigentlich ist hier alles bilderbuchhübsch. Kleine Fachwerkhäuser in Bonbonfarben. Stockrosen davor. Immer andere Ausblicke aufs Meer. Dazu herrlichstes Sommerwetter.

Aber der Wind und die Hügel schaffen mich.

Oder habe ich jenen Punkt erreicht, der laut Hape Kerkeling jeden Wanderer auf dem Jakobsweg ereilt? Irgendwann hat dich der Weg. Dann holt er alles an Gefühlen raus, was in dir ist, dann holt dich alles ein, dann willst du nur noch hinschmeißen.

Ich habe kein Santiago. Ich habe nur meine Erwartungen, meine Ansprüche an mich selbst. Durchhalten? Oder Loslassen üben?

Das werde ich wohl heute nicht mehr klären. Abendessen. Schlafsack. Es reicht für heute.

Ist was faul im Staate Dänemark?

Stubbekøbing – Puttgarden   5. August 2015

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Nein, wohl nicht.

Aber ganz von vorne. Nach dem Einbruch von gestern lasse ich es heute gemütlich angehen. Wobei ich ziemlich früh auf den Beinen bin, da die Nacht immer wieder von Regen und Gewitter unterbrochen wurde.

Der nächste Bahnhof ist 25 km entfernt in Nykøbing. Mal sehen was geht.

Es lässt sich locker an. Die Gegend ist relativ flach, der Wind mäßig. In Nykøbing – nach nochmaligem Blick auf die Karte – fasse ich den Entschluss: ich radele weiter.

Die Frage nach durchhalten oder loslassen stellt sich nicht mehr. Es ist weder das eine noch das andere. Jeder Tag hat seine eigene Dynamik. Und so ist das, was gestern noch anstrengend, vielleicht auch unmöglich erschien, heute ganz entspannt.

Insgesamt werden es 85 km. In Rødby dann auf die Fähre nach Puttgarden, den nächsten Campingplatz gesucht, damit es morgen frühzeitig mit dem Zug weitergehen kann. Ein letztes Mal das Zelt aufbauen. Dann ohne Gepäck nach Burg auf Fehmarn, möchte einfach zum Abschluss was anderes als Nudeln essen. Wie schnell das Rad ohne den ganzen Ballast läuft! Und ich merke gerade, wie angenehm es ist, mich auf sprachlich vertrautem Terrain zu bewegen, dass ich viel leichter Leute anspreche, nachfrage, weil ich keine Sprachbarriere zu überwinden habe. Sicher, in Dänemark sprechen alle Englisch, viele Deutsch oder Schwedisch, aber es ist angenehmer,  einfach draufloszureden ohne vorher erst die Sprache ausloten zu müssen.

Und: ist was faul in bzw. mit Dänemark? Immer noch nein. Sicher, es lief heute gut, Falster und Lolland sind relativ flach, eher wellig statt hügelig. Der Wind ist weniger stark und kommt oft fast von hinten. Dafür heute kein Bilderbuch, sondern die Eintönigkeit der Äcker. Aber das eine ist Dänemark und das andere auch.

Ein Satz geht mir seit Wochen durch den Kopf: „Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind. Wir sehen sie, wie wir sind“ (Anais Nin, gefunden mal wieder bei Meike). Dänemark ist wie es ist. Es will weder nett noch abweisend zu mir sein. Aber wie ich es betrachte, sagt ganz viel über mich und meine derzeitige Stimmung aus. Was natürlich nicht nur auf Dänemark zutrifft, sondern auf alles andere auch.

Und so kann das Reisen mich aufmerksamer machen. Gegenüber meiner Umgebung, aber auch mir selbst gegenüber.

Passenderweise entdecke ich an einem Wegweiser am Strand die Pilgermuschel, das Zeichen für den Jakobsweg. Vielleicht war das hier meine ganz persönliche Version.

Eine Antwort zu Göteborg – Puttgarden

  1. erikdierkes schreibt:

    Eine sehr spannende Reise

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